2. Zufall, Unabhängigkeit und Abhängigkeit

Wahrscheinlichkeitskonzepte werden in der Kunst seit Jahrzehnten als Werkzeug eingesetzt. Allerdings fällt auf, dass dabei überwiegend nur sehr einfache Konzepte verwendet werden, die auf stochastisch unabhängigen Zufallsereignissen beruhen und leicht durch einen Zufallszahlengenerator simuliert werden können und in einfachen Fällen durch Los- oder Würfelverfahren realisiert werden können.

In den Abbildungen 1 und 2 sind jeweils 10000 Felder (100 mal 100) zufällig und mit gleicher Wahrscheinlichkeit schwarz oder weiß eingefärbt. Dabei sind die zugrundliegenden 10000 Zufallsereignisse stochastisch unabhängig. Die Farbe eines Feldes beinhaltet somit keine Information darüber, ob ein Nachbarfeld oder irgendein anderes Feld schwarz oder weiß ist.

Abbildung 1: Stochastische Unabhängkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1)
Abbildung 2: Stochastische Unabhängkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1)

Die Modellierung und Simulation räumlicher stochastischer Abhängigkeiten ist im Vergleich zur stochastischen Unabhängigkeit mathematisch anspruchsvoller, und entsprechend selten, wenn überhaupt zu finden. Die beiden folgenden Abbildungen 3 und 4 sind zwei Realisationen desselben Zufallsmodells mit einer modellierten zweidimensionalen Abhängkeitsstruktur. Dabei ist es im Unterschied zur stochastischen Unabhängigkeit wahrscheinlicher, dass benachbarte Felder die gleiche Farbe haben.

Abbildung 3: Schwache Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q2)
Abbildung 4: Schwache Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q2)

In den Abbildungen 5 und 6 ist die Abhängigkeit stärker als bei den beiden vorangegangenen Abbildungen.

Abbildung 5: Stärkere Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q8)
Abbildung 6: Stärkere Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q8)

In den Abbildungen 7 und 8 ist die Abhängigkeit nochmals erhöht.

Abbildung 7: Noch stärkere Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q13)
Abbildung 8: Noch stärkere Abhängigkeit (100x100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:1, Algorithmus Q13)

In den Abbildungen 1 bis 8 ist jeweils ein Schwarz-Weiß-Verhältnis von 1:1 unterstellt. Dieses Verhältnis kann variiert werden. Abbildung 9 enthält neun Felder die analog zu Abbildung 1 gebildet sind, aber mit den Schwarz-Weiß-Verhältnissen 10:90, 20:80, 30:70, ...,70:30, 80:20,90:10.

Abbildung 9: Stochastische Unabhängigkeit (9 Felder 100 x 100, Schwarz-Weiß-Verhältnis 1:9, 2:8, 3:7,..., 8:2, 9:1)

Die neun Teilfelder von Abbildung 9 zeigen unterschiedliche Schwarz-Weiß-Verhältnisse. Andererseits demonstriert Abbildung 9 als Gesamtheit eine zweite Art von Abhängigkei, die nicht mit stochastischer Unabhängigkeit verwechselt werden darf. Die der Abbildung 9 zugrundeliegenden Werte sind Realisationen von 900000 insgesamt stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen, wobei die Parameter der Verteilungen dieser Zufallsvariablen ortsabhängig und in jedem der neun Felder einen anderen von neun Werten haben.

Technische Beschreibung:

Die Abbildungen 1 und 2 basieren auf den realisierten Werten von jeweils 10000 stochastisch unabhängigen Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen mit dem Bernoulliparameter 0,5. Diese Werte sind in einer Matrix mit je 100 Zeilen und Spalten angeordnet, wobei die Werte 1 und 0 als schwarzes bzw. weißes Quadrat kodiert sind.

Es gibt 210000 Möglichkeiten, die 10000 Zellen mit schwarz und weiß zu belegen.Die Anzahl der Möglichkeiten ist damit größer als 103010, also eine 1 gefolgt von 3010 Nullen. Im Vergleich zu dieser gewaltigen Zahl von Möglichkeiten ist ein Googol, das ist ein Name für die Zahl 10100, von dem eine bekannte Suchmaschine Ihren Namen abgeleitet hat, eine überschaubar kleine Zahl. Zwei dieser Möglichkeiten sind in den Abbildungen 1 und 2 angegeben. Zwei andere Möglichkeiten ergeben ein weißes und ein schwarzes Quadrat. Zwei weitere Möglichkeiten sind die schachbrettartigen Rasterungen, die sich dadurch unterscheiden, ob die linke obere Ecke weiß oder schwarz ist.

Die Abbildungen 3 bis 8 basieren auf einem stochastischen Modell für eine Zufallsmatrix von 100 x 100 Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen mit Bernoulliparameter 0,5. Die 10000 Zufallsvariablen sind identisch verteilt, aber nicht stochastisch unabhängig. Dabei besteht lokale Abhängigkeit benachbarter Zufallsvariablen, aber stochastische Unabhängigkeit ab einer bestimmten Distanz. Beispielsweise sind zwei Zufallsvariablen X(i,j) und X(k,l) stochastisch unabhängig, falls |i-k| > D und |j-l| > D mit einer speziellen, vom Algorithmus abhängenden positiven Zahl D. Die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariablen ist invariant gegenüber Verschiebungen und Spiegelungen an jeder beliebigen senkrechten oder waagerechten Achse. Die Abbildungspaare 3 und 4, 5 und 6 sowie 7 und 8 sind jeweils zwei Realisationen derselben Zufallsmatrix mit je 100 Zeilen und Spalten.  Die Stärke der Abhängigkeit steigt für jedes weitere Paar. Der Wert 1 ist als schwarzes Quadrat kodiert; der Wert 0 ist als weißes Quadrat kodiert.

Die Abbildung 9 ist aus neun Teilen zusammengesetzt, wobei jeweils 100 x 100 stochastisch unabhängige und identisch Bernoulli-verteilte Zufallsvariablen verwendet sind. Der Bernoulliparameter hat in den neun Teilen zeilenweise von links nach rechts die Werte 0.1, 0.2, ..., 0.9.

 

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© Stefan Huschens